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Der Pecher
Auszug aus "Die Schriften des Waldschulmeisters" von Peter Rosegger, eingekürzt

Der Pecher, das ist schon auch ein wunderlicher Geselle. Man riecht ihn schon von weitem und man sieht ihn glitzern durch das Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz von den Bäumen schabt; die Steigeisen glitzern, mit welchen er an den glatten Stämmen emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum auch an seiner Höhe abzuernten, oder wenn keine Ernte ist, zu verwunden, auf das für künftig das Harz hervorquelle. Und die Lederhose glitzert, und der mit Pech völlig überzogene Lodenspenser glitzert, und die Scheide des langen Messers an den Lenden glitzert, und letztlich das Glutauge. Wenn eine Blüte oder eine niederfallende Tannennadel ihn streift, so bleibt sie kleben an seinem Arm, an seinen Haaren, an seinem Bart. Wenn eine Fliege herumtanzt oder ein Falter, oder eine Spinne - das Tierchen bleibt kleben an dem Manne; und bunt besetzt ist sein Kleid mit kleinen Wesen aus dem Pflanzen und Tierreiche, wenn er in Wald und Abenddunkel heim in seine Klause kehrt. Der Pecher verwundet die Bäume arg und bringt sie zuletzt um's Leben. Der Urwald ist dem Untergang verfallen. Die alten Tannen und Fichten sind durch den Pecher zu Krüppeln geworden; jetzt strecken sie ihre langen Arme nach ihm aus, möchten den Todfeind am liebsten erschlagen.

Aus dem Harze bereitet der Pecher durch das Verfahren des Abdunstens das Terpentin und andere Öle, wie sie in den Waldgegenden gegen allerhand Krankheiten und Gebrechen in großen Mengen verwendet werden. Ich habe schon mehrmals zugesehen auf so einer Brennstelle, wie die schwarze Masse kocht und brodelt, bis sie in geschlossene Tonbehälter kommt, aus welchen ihr zu gewinnender Gehalt durch Röhren in die Zuber und Flaschen übergezogen wird. Mit diesen Zubern und Flaschen in einem großen Korbe geht nun der Mann hausieren. Der Holzschläger kauft Pechöl gegen jegliche Verletzung, die er sich in seinen Kämpfen mit dem Walde zuzieht. Der Kohlenbrenner kauft Pechöl gegen Brandwunden; der Kohlenführer für sein Roß; der Branntweinbrenner für sein Fäßlein. Der Wurzner kauft gegen Verrenkungen und gegen Bauchgrimmen, das er sich durch seine meist ungekochte Nahrung zuzieht. Das Kleinbäuerlein weiter draußen kauft Pechöl für sein ganzes Haus und Vieh, gegen alle bösen Zustände.

In des Pechers Klause darf man sich nicht niedersetzen, man bliebe kleben. Die Wohnung ist einfach genug. Unterhalb der nackte Erdboden, oberhalb das schieferige Baumrindendach, seithalb die Wand aus rohen Stämmen gezimmert und mit Moos verstopft. Der holperige Steinherd ist gleich als Tisch eingerichtet. Unter der Bettstatt ist die Vorratskammer für Erdäpfel, Schwämme und Holzbirnen. Der wurmstichige Kleiderschrank ist das allerheiligste des Hauses, er bewahrt die geweihten Andenken der Voreltern, das Taufangebinde der Kinder und den Wettermantel des Pechers, wenn er nicht am Leibe ist. Die Fenster haben kaum viel Glas. "Lappen und Strohpapier sind auch so gut wie Spiegelscheiben, wenn einer kein sauberes Gesicht durchgucken lassen kann", meint der Pecher. Hinter dem Schrank hängt das Schießgewehr. Tritt einmal der herrschaftliche Jäger ins Haus und sieht er's, so ist's gut - eine Waffe muß sein, im Wald gibt es Wölfe. Sieht er's nicht, so ist's besser.

Bei des Pechers Hauswirtin ist's auch so; sieht man sie, so muß man bedenken, daß im vierzigsten Jahr bei niemandem ein neuer Frühling mehr anbricht, daß, wie das Sprichwort sagt, am Halse ein Kropf besser ist als ein Loch, daß einäugig nicht blind, und daß ein wenig säbelbeinig weder Schande noch Prahlerei ist. Sieht man sie nicht, so ist's besser.
 



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